Grace Winter pixelio.deWie wird aus einem Mathematiker ein Straußenunternehmer? Die unternehmerische Methode macht es möglich. Dr. Andreas Kreibich, heute Geschäftsführer im eigenen Beratungsunternehmen in Heidelberg, erzählt, wie er das tat, was er heute „effektuieren“ nennen würde.

[Gastbeitrag: Dr. Andreas Kreibich] 1992 war ich gemeinsam mit meinem Freund Mathias in Lesotho, einer Enklave in Südafrika, als Entwicklungshelfer eingesetzt, er als landwirtschaftlicher Projektleiter, ich als Mathematiklehrer. Mathias, Berliner mit 2 jugendlichen Kindern, hatte die Idee, für Großstadtkinder irgendwo in Spanien einen Urlaubsbauernhof aufzubauen. Als eine der Attraktionen sollte es dort Strauße geben – in Spanien selten, aber in Südafrika eine Alltäglichkeit. Erste Versuche mit Straußen waren nicht erfolgreich, die Küken starben. Mathias versuchte vergeblich, von den Straußenhaltern in der Gegend hilfreiche Informationen zu erhalten. Das Internet war damals noch in den Kinderschuhen und schriftliche Informationen gab es nur rudimentär.

Unsere rotweinschwangere Frage war: „Wie sollte jemand in Europa an Straußeninfos kommen, wenn wir – mitten im Straußenland – solche Schwierigkeiten damit haben?“ Unsere naheliegende neue Idee: ein Straußenbuch schreiben. Ich hatte gerade Schulferien und „Langeweile“, weil meine Frau zur Geburt unseres Kindes schon nach Europa geflogen war. Mit Mathias’ Auto fuhr ich zur Universität von Stellenbosch – dort gab es Fotos von Straußen, die in Hagenbeck’s Zoo im Schnee tanzten: Strauße konnten also auch im europäischen Winter gedeihen! Mit eigenen Fotos im Gepäck, klapperten wir die ersten Kapitel in den Computer, Mathias die landwirtschaftlichen Kapitel, ich die allgemeinen, Mathias’ damalige Frau ein Straußenkochbuch, meine Nichte (inzwischen Biogenetikprofessorin) zeichnete professionelle Skelette und anderes. Wenn es Verluste gab, dann höchstens die Spesen für 1 Woche Autofahrt und Opportunitätskosten durch Zeitaufwand, aufgewogen durch den Spaß und die verflogene Langeweile.

Zurück in Deutschland schickte ich das Manuskript an die 5 einschlägigen Landwirtschaftsverlage. 4 lehnten rundweg ab, im 5. gab es eine angetane Lektorin, allerdings war das Risiko dem Verlag zu groß. Unsere Vereinbarung: wir liefern ein druckfertiges Manuskript, tragen alle Herstellungskosten und wir teilen uns den Gewinn für Buchhandelsverkäufe. Zufällig konnte ich ein professionelles Manuskript liefern, weil ich beim Studium mit der Profi-Software TeX Diplomarbeiten gesetzt hatte. Die Auflage war mit 1000 Stück Hardcover gering, 15 DM Herstellungskosten, 52 DM Verkaufspreis. Der Verlag hatte ein weiteres Landwirtschaftsbuch und wir konnten veröffentlichen. Das Buch war nach 4 Monaten ausverkauft.

Unsere nächste Auflage wurde erweitert, ein Tierarzt schrieb ein Medizinkapitel, eine Biologie-Studentin ein Verhaltenskapitel. Neue Auflage 2500 Stück, Preis 75 DM. Es klingelte nicht nur permanent mein Telefon, sondern auch an meiner Haustür: ein Referent des Landwirtschaftsministeriums lud sich zum Kaffee ein: es gab keine Richtlinien für die artgerechte Haltung von Straußen. Mit einer 200 Personen Gründungsversammlung gründeten wir den Bund Deutscher Straußenzüchter, Mathias als Präsident, ich als Finanzvorstand. Unser erstes Projekt wurden die Haltungsrichtlinien.

Nach unserer intensiven Beschäftigung mit Straußen war klar: das Interessante am Strauß ist sein Fleisch, schmackhaft, rot, kalorienarm und proteinreich. Und – in Afrika kann man Strauße viel günstiger halten und damit Straußenfleisch produzieren. Die neue Idee: wir vermarkten Straußenfleisch. Wie der Zufall es wollte, schickte mich mein neuer Arbeitgeber, eine Versicherung, für 9 Monate zurück nach Südafrika. Dort fand ich nicht nur einen günstigen Übersetzer für das Buch (dritte Auflagen, englisch: 2500 Stück), sondern auch einen Straußenschlachthof in Zimbabwe. Wir fingen an, erste Tonnen Straußenfleisch zu importieren, alles finanziert von den Buchverkäufen unserer inzwischen gegründeten TOE GmbH (‚The Ostrich Experts’).

Das Ende vom Lied: wir haben alle Bücher verkauft, die Übersetzungsrecht in Tschechische, Dänische und zum Schluß weltweit waren eine ansehnliche Dreingabe zu den Buchgewinnen. Mit dem Fleisch waren wir nicht erfolgreich, wir hätten uns in den Großhandel einkaufen müssen, was unsere finanziellen Mittel überstiegen hätte. Wir haben auch Strauße nach Deutschland gebracht, allerdings wurde unser wunderschönes Gehege gleich beim Dezember-Hochwasser 1993 weggespült. Die Strauße haben wir zuerst auf einen Berg evakuiert und dann zu Freunden in Frankreich. Unsere GmbH ist inzwischen abgewickelt – ohne Verlust, so daß die Erinnerung an eine schöne Zeit bleibt.

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