Stuart Read und Sharon Dolmans haben das 10-Jahres-Jubileum zum Anlass genommen, Resümee zu ziehen und einen Wegweiser in die Zukunft von Effectuation zu gestalten (Read, Dolmans, 2012). Die folgenden Überlegungen, was es noch zu tun gibt, basieren auf dieser Arbeit.

Mehr als 10 Jahre sind nun seit der vielbeachteten Vorstellung von Effectuation in der Academy of Management   (Sarasvathy 2001a) vergangen. Seitdem sind in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen mehr als 100 wissenschaftliche Publikationen erschienen, die direkt oder indirekt auf Effectuation aufbauen. Darunter finden sich empirische Bestätigungen, Skalen zur Messung von Effectuation, Ausflüge in neue Domänen, Verknüpfungen mit bestehendem Wissen und die Weiterentwicklung des theoretischen Konzepts von Effectuation.  Stuart Read und Sharon Dolmans haben das 10-Jahres-Jubileum zum Anlass genommen, Resümee zu ziehen und einen Wegweiser in die Zukunft von Effectuation zu gestalten (Read, Dolmans, 2012). Die folgenden Überlegungen, was es noch zu tun gibt, basieren auf dieser Arbeit:

Den Prozess verfeinern. Von Effectuation sprechen wir, wenn wir sowohl die zugrundeliegenden Prinzipien aus auch den zyklischen Prozess beobachten oder anwenden. Führt man sich vor Augen, dass Effectuation nicht ohne seine Dynamik zu begreifen ist, dann wir klar, warum Effectuation so schwer zu messen ist. Dem Prozess mit Fragebogen zu Leibe zu rücken ähnelt dem Versuch, Tango mit einer Fotokamera zu erfassen. Das Prozessmodell bringt Prinzipien in eine Reihenfolge, erklärt, wie Mittel zusammengefügt werden und wie durch Vereinbarungen etwas Neues entsteht. Offen ist, wie genau die Prinzipien ineinander greifen, welche Reihenfolgen anderen vorzuziehen ist, wie viele Schleifen durchlaufen werden und ob es Bedingungen gibt, unter denen effektuieren nicht in neue Produkte, Firmen, Märkte, Problemlösungen o.ä. mündet.

Die Prinzipien besser verstehen. Es wäre hilfreich, wenn wir mehr über die Qualitäten wüssten, die den Effectuation-Prinzipien Wirkung verleihen. Nehmen wir Mittelorientierung: Gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Mittel und Ressource? Wie genau funktioniert das Auswählen aus verfügbaren Mitteln, wenn mehrere interessante Alternativen dem Kriterium des leistbaren Verlusts gerecht werden? Welche Rolle spielen Ziele auf höheren Abstraktionsebenen bei der Bewertung von Handlungsalternativen? Welche Rolle spielen Mittel aus dem kausalen Werkzeugkasten, wie zum Beispiel die Fertigkeit im Erstellen von Prognosen, im Effectuation-Prozess? Das Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften bietet Raum für ganze Forschungsprogramme: Wie genau funktioniert der intersubjektive Prozess, der in Vereinbarungen im Sinne von Effectuation mündet? Welche Rolle spielen dabei die Emotionen der Partner? Wie beeinflusst die bevorzugte Entscheidungslogik eines oder mehrere Partner das Ergebnis des Prozesses? Und welchen Einfluss hat die Mittelausstattung der Partner auf deren Möglichkeit, den Prozess steuernd zu beeinflussen?

Wie Effectuators zu Effectuators werden. Wir wissen, dass erfahrene Unternehmer unter Ungewissheit Effectuation bevorzugt einsetzen. Wir wissen allerdings wenig darüber, wie sie zu Experten werden, also was genau sie zu Effectuators macht. Wenn wir das wüssten, dann täten wir uns leichter, Effectuation zu lehren – und zwar nicht nur im Kontext des Unternehmertums. Wer genau nutzt also Effectuation, wann und wie genau? Unter welchen Bedingungen gedeiht Effectuation und unter welchen eher nicht? Im Zuge der Theorieentwicklung haben dazu Read und Sarasvathy (2005) ein Basismodell entwickelt und eine Reihe von Hypothesen aufgestellt. Eine systematische Überprüfung dieser Hypothesen in Form von Feldforschung steht bis heute aus.

Auswirkungen des Effektuierens. Inzwischen dürfte klar geworden sein, dass sich die Auswirkungen von Effectuation nicht nur in ökonomischem Erfolg messen lassen. Die Auswirkungen des Handelns nach Effectuation lassen sich beispielsweise auch im Bezug auf einzelne Prinzipien isolieren. Wer seine Schritte gemäß seinem leistbarem Verlust setzt, erhöht die Anzahl der möglichen Versuche auf Erfolge. Doch was motiviert diejenigen, die derart Erfolge realisieren, sich erneut unter Bedingungen der Ungewissheit zu begeben und neu anzufangen (wie das zum Beispiel bei Seriengründern der Fall ist)? Analog dazu ließen sich auch für andere Effectuation-Prinzipien Auswirkungen isolieren und empirisch testen.

Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen. Effectuation ist ein Verhalten und setzt keine bestimmten persönlichen Eigenschaften voraus. Doch wie beeinflussen Persönlichkeitsmerkmale wie zum Beispiel die Risikoaversion oder die Lernbereitschaft / Beeinflussbarkeit das Handeln nach Effectuation und dessen Effektivität? Und welchen Einfluss haben Persönlichkeitsmerkmale auf die Wahl zwischen kausalem Vorgehen und Vorgehen nach Effectuation? Wenn wir das wüssten, dann täten wir uns leichter in der Beurteilung, für wen sich Effectuation als handlungsleitende Methode eher eignet und für wen weniger.

Einfluss von Organisationen. Denken wir an Effectuation in bestehenden Organisationen, wirft das eine Reihe von Fragen auf. Allen voran: Gibt es so etwas wie Effectuation-Organisationen? Wie genau sehen diese aus? Oder auch: Kann man so etwas wie einen Effectuation-Index für Organisationen aufstellen? Wie finden sich Effectuators in kausalen Teams und Unternehmen zurecht? Welchen Einfluss hat ihr Vorgehen auf die Team- oder Unternehmens-Dynamik? Gibt es so etwas wie einen idealen Mix an Effectuators und vorwiegend kausal denkenden Personen in Teams? Und welche Faktoren  fördern oder behindern Effectuation in Organisationen?

Einfluss der Umwelt. Wir wissen, dass sich Effectuation sehr gut für Kontexte hoher Ungewissheit eignet. Doch was genau passiert, wenn Effectuation unter stabileren Bedingungen – also bloßem Risiko – eingesetzt wird? Wäre das eine gute Idee? Unter welchen Umweltbedingungen würde es eine wirklich schlechte Idee sein, Effectuation einzusetzen? Feldforschungsergebnisse zu diesen Fragen würden uns helfen, den Beipacktext für Effectuation im Hinblick auf Anwendungen, Wirkungen, Wechselwirkungen und mögliche unerwünschte Wirkungen zu detaillieren.

Übergang zwischen Effectuation und kausaler Logik. Es gibt noch wenig wissenschaftlich getestete Regeln für den Übergang von Effectuation zu kausaler Logik. Hier könnte man wieder bei den erfahrenen Unternehmern beginnen und den Einsatz der Logiken über die Zeit untersuchen. Wann und wie entscheiden die Handelnden, in ihren Vorhaben von Effectuation auf linear-kausales Vorgehen überzugehen? Was genau passiert in der Zeit des Übergangs? Und welche Auswirkungen hat der Wechsel der eingesetzten Logik auf die jeweiligen Vorhaben?

Effectuation klarer abgrenzen. Irrational, Versuch und Irrtum, einfach anpassen, wurschteln, kleine Brötchen backen, nicht planen, eine Sache der Persönlichkeit
all das ist Effectuation nicht. Wenn wir mehr über Effectuation wissen wollen um es besser nutzbringend einsetzen zu können, dann ist es hilfreich, Effectuation gut abzugrenzen. Um gesammeltes Wissen über Effectuation gut integrieren zu können, müssen Forscherinnen und Praktiker sicherstellen, dass sie vom selben reden.

Über Effectuation hinausdenken. Ebenso wichtig wie das Abgrenzen von Effectuation ist das Nachdenken über dessen Erweiterung. Wo ist Effectuation eingebettet, was noch könnte zu Effectuation gehören und wie genau sieht die Landschaft rund um Effectuation aus? Über die bloße Unterscheidung zwischen kausalem und unternehmerischen Vorgehen hinausgehend: In welche Landkarte des Denkens, Entscheidens und Handelns kann Effectuation eingebunden werden? Antworten auf diese Fragen werden es uns erleichtern, Effectuation in unsere Werkzeugkästen zu integrieren – theoretisch wie auch praktisch in unterschiedlichsten Handlungsfeldern.

Effectuation lernen und lehren. Wir gehen heute davon aus, dass sich Effectuation lernen lässt. Trotzdem ist weitgehend unerforscht, wie sich Effectuation am besten lernen lässt. Wie wirksam sind traditionelle Lernkonzepte wie die Vorlesung, das Lehrbuch (z.B. Grichnik, Brettel, Koropp & Mauer 2011) oder dieses Fachbuch überhaupt? In welche Settings sollten diese eingebunden werden, um lernen zu unterstützen? Und wie kann Effectuation jeweils gut mit den anderen, kausalen Elementen einer Domain verknüpft werden – denken wir zum Beispiel an das Element des Businessplans im Entrepreneurship?

Weltweit gibt es eine Reihe von Initiativen, die darauf abzielen, Effectuation v.a. in die universitäre Lehre zu integrieren. Auch in der Erwachsenenbildung und im Setting bestehender Organisationen konnten wir eine Reihe von Erfahrungen sammeln. Viele dieser Initiativen sind heute noch im Experimentierstadium. In Zukunft wird es immer wichtiger, die gemachten Erfahrungen zu bündeln und zu klären, auf welche Arten Effectuation wirkungsvoll vermittelt werden kann.

Es gibt also noch viel tun. Für engagierte Forscher unterschiedlicher Disziplinen bietet das die Chance, einen Beitrag zur Entwicklung einer unternehmerischen Methode (Sarasvathy & Venkataraman, 2011) zu leisten: Eine Methode, die Sarasvathy als „Worldmaking“  (Venkataraman, Sarasvathy, Dew, Forster, 2012) bezeichnet und die dazu dient, Neues in die Welt zu bringen und diese aktiv zu gestalten. Wäre das nicht ein Anliegen, für das es sich zu engagieren lohnt?

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