Clemens Boege(Gastbeitrag Clemens Böge) Wie kann ich gute Personalentscheidungen treffen, wenn ich nicht weiß, welche Qualifikationen morgen überhaupt gebraucht werden? Effectuation kann Anregungen liefern.

Wann immer wir etwas Neues beginnen, ein Projekt oder ein Vorhaben starten, rät uns die klassische Management-Logik, erst einmal ein Ziel zu definieren. Als nächstes brauchen wir einen möglichst genauen Plan, den wir dann „nur noch“ umsetzen müssen. Eine solche Vorgehensweise stößt jedoch dann an ihre Grenzen, wenn die Zukunft ungewiss und nicht planbar ist. Rahmenbedingungen, die auch das Personalmanagement zunehmend betreffen:

  • Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft ändern sich Tätigkeitsinhalte und Ausbildungsanforderungen
  • Klassische Berufsgrenzen und Berufskulturen lösen sich auf
  • Neue Technologien schaffen schneller neue Jobs, als diese auf Ebene von Stellenbeschreibungen erfasst werden können

Wie kann ich also heute gute Personalentscheidungen treffen, wenn ich nicht weiß, welche Qualifikationen morgen überhaupt gebraucht werden? Die Denk- und Handlungsmuster erfahrener Gründer und Unternehmer können hier Anregungen liefern.

Talent Management – Vorhandene Potentiale nutzen und entwickeln

Eine kausale Vorgehensweise hieße, den zukünftigen Bedarf an Kenntnissen und Fähigkeiten zu prognostizieren, die Abweichung zur Ist-Situation festzustellen und geeignete Maßnahmen zum Schließen der Lücke zu ergreifen. Wenn ich aber heute nicht wissen kann, was morgen gebraucht wird, kann ich stattdessen versuchen, die zukünftige Situation in meinem Sinne mit zu gestalten, sie zu co-kreieren. Ein erster Schritt dazu wäre, die Aufmerksamkeit (noch) stärker auf die vorhandenen Ressourcen zu lenken, damit diese ihre volle Wirkung entfalten können. Was können unsere Mitarbeiter eigentlich alles? Wer hat welche Talente, welche Potentiale? Wo gibt es welche Interessen und Neigungen und wie lassen sich diese im besten beiderseitigen Interesse nutzen?

Eine solche Ressourcen-orientierte Perspektive ist zwangsläufig mit einer wertschätzenden Haltung gegenüber der Vielfalt verbunden. Eine „bunte“ Belegschaft bietet entsprechend vielfältige Chancen, ungewisse zukünftige Situationen erfolgreich zu meistern. In der Weiterbildung führt eine solche Zukunftsorientierung zur gezielten Förderung von Stärken anstatt zum Ausbügeln von Defiziten: Ohne Soll keine Lücke zum Ist. Entwicklung kann also nur direkt beim Ist ansetzen. Inhaltlich steht dabei weniger der Aufbau von Expertenwissen im Vordergrund, als vielmehr generalistische Kompetenzen z.B. hinsichtlich Selbstorganisation, Kommunikation und Führung. Auch wenn ich noch nicht genau weiß, welches Wissen morgen gebraucht wird, kann ich die Mitarbeiter heute schon in die Lage versetzen, neues Wissen im Bedarfsfall schnell aufzubauen und flexibel einzusetzen: Lernen lernen statt Informationen anhäufen.

Recruiting – Neue Potentiale erschließen

Bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter scheinen die bisher beschrieben Gedanken zunächst weniger zwingend, da die Ungewissheit meist geringer ist. Wenn es einen aktuellen und eindeutig beschreibbaren Personalbedarf gibt, ist ein zielorientiertes Vorgehen – die Suche nach der richtigen Person – durchaus sinnvoll. Oft genug aber geht es auch im Recruiting um etwas Neues: Eine neu geschaffene Stelle, ein neues (Projekt-)Team, eine neue Abteilung. In diesen Fällen ist möglicherweise weniger die exakte Passung von Profilen bedeutsam, als vielmehr die (beiderseitige) Bereitschaft, innerhalb eines gewissen Korridors die Rahmenbedingungen gemeinsam zu gestalten. Wie die Zusammenarbeit und die Inhalte genau aussehen, ist Gegenstand von regelmäßig zu erneuernden Vereinbarungen. Wenn ich mich davon verabschiede, nach dem oder der „Richtigen“ suchen zu müssen, öffnet das vielleicht auch den Blick für interessante Quereinsteiger und Karrieren mit Umwegen.

Der eleganteste Weg, neue Talente zu gewinnen, ist sicherlich, wenn diese sich von allein melden und per Selbstselektion ihr Interesse an einer Zusammenarbeit äußern. Die Wahrscheinlichkeit derart positiver Zufälle lässt sich durch die gezielte Arbeit am Außenbild des Unternehmens erhöhen: Employer Branding ist das Stichwort und auch hier spielt der Blick auf die eigenen Mittel eine zentrale Rolle. Um eine relevante und authentische Arbeitgebermarke aufzubauen, muss ich mich intensiv mit der Identität, den Werten und Stärken des Unternehmens auseinander setzen.

Text und Bild:
Clemens Böge ist Berater, Coach und Trainer in Wien | www.beraterei-boege.com

Dieser Beitrag wurde hier erstveröffentlicht.

Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Ihren Besuch stimmen Sie dem zu.