img_6221(Gastbeitrag Anna-Sophie Dreyer) Ambitionierte Träume, wenig Mittel, begrenzte Zeit und keine Lust, Kopf und Kragen zu riskieren? Kein Grund für schlechte Laune, meint die Musikerin und Kulturmanagerin Anna-Sophie Dreyer in ihrem Erfahrungsbericht.

Ein Traum, ein Plan oder ein Weg?

Mit vorhandenen Mitteln kreativ umgehen, um oft unvorhergesehene Ergebnisse zu erzielen – das ist die Grundlage von Effectuation. Ist diese Methode dann nicht prädestiniert für die Kultur- und Kreativwirtschaft? Gerade für das Entwickeln neuer Angebote oder das Weiterentwickeln von bereits bestehenden Formaten kann Effectuation ein idealer Ansatz für den Kulturbereich sein. Viele Kulturschaffende befinden sich durch Abhängigkeit von sinkenden Fördergeldern und schrumpfenden Besucherzahlen in einer Situation der Ungewissheit. Effectuation kann hier ansetzen und eine wirkungsvolle Handlungsalternative zum klassischen Management bieten.

Auch für mich als Musikerin und Kulturmanagerin eröffneten sich durch das Kennenlernen von Effectuation ganz neue Möglichkeiten. Lange war es für mich ein unerreichbarer Traum, ein Kulturfestival auf dem Bauernhof, auf dem ich lebe, zu veranstalten. Es gibt viele Tatsachen, die auf den ersten Blick gegen die Realisierung eines solchen Projektes sprechen: Mir stehen nur geringe finanzielle Mittel zur Verfügung, ich stehe am Anfang meiner beruflichen Laufbahn und kann daher nur auf wenige praktische Erfahrungen im Kulturmanagement zurückgreifen und bin außerdem gerade Mutter geworden, was meine beruflichen Kapazitäten in den nächsten Jahren einschränken wird. Genug Gründe, den Kopf in den Sand zu stecken und den Traum eines Festivals tief zu vergraben!

Oder die richtige Zeit, das Thema anders anzugehen – bei mir und meinen Möglichkeiten anzufangen, meinen gegebenen Handlungsspielraum aktiv und kreativ zu nutzen und ihn dadurch Stück für Stück auszubauen. Wer gibt vor, was der Inhalt eines Kulturfestivals zu sein hat? Wer definiert die Größe und den Umfang einer solchen Veranstaltung? Wer sagt, dass ein Festival ein finanzielles Mammutprojekt sein muss, dass ich nicht stemmen kann.

Die Effectuation-Prinzipien der verfügbaren Mittel und des leistbaren Verlustes erlauben mir, im Bereich meiner Möglichkeiten (so gering sie auch scheinen mögen) anzufangen und in vielen kleinen Schleifen dem Zielraum des Festivals entgegen zu streben. Durch das Kommunizieren meiner Ideen nach außen kann ich Partner finden, die bereit sind, im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten an dieser Idee mitzuarbeiten. Mithilfe von kleineren Veranstaltungen kann ich Erfahrungen sammeln, mein Netzwerk ausbauen und die Interessen meines Publikums kennen lernen.

Und was, wenn sich durch das Entstehen von Partnerschaften und das Ergreifen von Zufällen kein Festival, sondern eine Konzertreihe entwickelt? Oder ein kulturelles Bildungsprojekt? Je offener der Zielraum, desto besser funktioniert Effectuation. An der Idee des Festivals starr festzuhalten kann daher zum Stocken des Prozesses führen. Wichtig wird es also sein, mich regelmäßig zu fragen: Möchte ich diesen Weg weiter gehen? Bin ich bereit, in die neu entstandene Idee Energie und Zeit zu stecken? Ist es im Rahmen meines leistbaren Verlustes, die Idee des Kulturfestivals über Bord zu werfen zugunsten eines anderen Ereignisses, das mit meinen Mitteln zu realisieren ist? Ich brauche also nicht den perfekten Plan, ich muss nicht alles bis ins Detail im Voraus durchdacht haben, ich kann direkt loslegen und schauen, wohin mich die Reise führt. Ein befreiender und motivierender Gedanke!

Anna-Sophie Dreyer ist ausgebildete Musikerin (B.A.) und Kulturmanagerin (M.A.) und lebt mit ihrer Familie auf einem Bauernhof in Stuttgart. In ihrer Master Thesis „Zwischen Planen und Handeln: Unternehmerische Wege zur Entwicklung eines Kulturfestivals am Reyerhof“ beschrieb sie ihre Erfahrungen mit Effectuation in einer Fallstudie.

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